Der Zahnbürsten Hack der gar keiner war
Die Mediale-Landschaft hat sich verändert. Massiv. Die Gehirne der Lesenden sind aufmeksamkeitstechnisch auf dem Niveau eines kurzatmigen TikTok-Videos. Zu oft wird „gut recherchiert“ gegen künstlich erzeugte Aufmerksamkeit getauscht. Wahrheit kommt erst nach den Klicks. Denn nach einiger Zeit wird dann die Klick-lukrative Falschmeldung wieder korrigiert, aber wer bekommt das schon mit?
Bestes Beispiel: DDos Attacke und die Zahnbürste
Zahnbürsten dieser Welt vereinen sich und Löschen das Internet!
Wer hat’s erfunden? Die Schweizer haben sich hinreißen lassen, besser gesagt die Aargauer Zeitung mit dem Artikel: Cybergefahren: So schützen Sie sich. Unglaublicherweise sind dann auch die weiteren deutschsprachigen Medien darauf eingegangen wie unter anderem Tarnkappe.info: Smarte Zahnbürsten für DDoS-Attacken missbraucht. Zu meiner Enttäuschung auch die namhafte Cyber Security Experten mit großer Followerzahl auf LinkedIn.
Technisch unmöglich
Zumindest wie in den Artikeln beschrieben. Das ist meine Einschätzung: Eine Zahnbürste hat einen Bluetooth Low Energy Chip (vgl. Bluetooth Low Energy – Wikipedia) verbaut, dessen Reichweite sehr begrenzt ist und vor allem nicht mit dem Router und somit mit dem Internet verbunden ist! Für die Kommunikation mit dem Internet benötigt man einen, nennen wir es mal „Vermittler“. Dieser muss beide Sprachen sprechen - also z.B. ein Smartphone mit integriertem Bluetooth und WLan. Erst dann könnte sich die Zahnbürste mit dem bösen Internet verbinden. Das geht aber auch, nur wenn man die richtige App installiert hat. Das sind schon viele „Hürden“ für die kleine Zahnbürste, finden Sie nicht?
Schwachstelle: App?
Wäre die App dann die Schwachstelle, um DDos Attacken abfeuern? Ja. Ist das realistisch? Nein! App Store Betreiber, Apple und Google sind in der Pflicht und haben sehr großes Interesse, dass eben solche Funktionen nicht in den Apps vorhanden sind und prüfen diese sehr genau. Und das ganze bevor die App überhaupt erst zugelassen wird und für Sie, den normalen Endnutzer, sichtbar im App Store wird.
Independent rudert zurück
Sehr wahrscheinlich erst, nachdem sie die Klickflut positiv für ihr Werbegeschäft genutzt haben.
This article was updated on 8 February 2024. It initially inaccurately reported that an attack had actually happened, but has been updated to reflect the fact that this was a hypothetical warning.
Aargauer Zeitung legt nach
Am 2024-01-30T11:02:00Z wurde der Artikel veröffentlicht. Ab dem 2024-02-08T09:08:20Z wurde die Situation aufgeklärt und mit dem folgenden Abschnitt ergänzt. Das sind 9 Tage Fake News, ohne rechtliche Folgen?!
Ursprünglich stand im Artikel, dass der Fall «sich wirklich so zugetragen» habe. Diese Information stammte vom Unternehmen Fortinet, das den Fall im Gespräch als real geschildert und den Artikel vor der Publikation gegengelesen hatte. Nun korrigiert Fortinet diese Aussage und spricht von einem «hypothetischen Szenario»
Quelle: Versions History
Sie können das nicht glauben? Dann überzeugen Sie sich selbst. Gott sei Dank gibt es Seiten, die entsprechende Missstände im Internet dokumentieren und Seiten, so wie sie sind, archivieren. https://archive.is/https://www.aargauerzeitung.ch/wirtschaft/kriminalitaet-die-zahnbuersten-greifen-an-das-sind-die-aktuellen-cybergefahren-und-so-koennen-sie-sich-schuetzen-ld.2569480
Trauriger Einzelfall
Denken Sie jetzt: „Ja, das kann ja jedem mal passieren?“
Dann schauen Sie sich doch jetzt noch mal den Artikel von mir an, in dem es um das E-Rezept ging und der Chip.de Autor eine Überschrift gewählt hat, die meiner Meinung nach auch recht viel Klicks am Anfang erzeugt hat: Smartphone Zwang für Senioren?
Abschließender Gedanke
Eine Nachricht in Sekunden um die Welt zu schicken, ist keine Kunst mehr. Den Wahrheitsgehalt zu erkennen, zu interpretieren und den tieferen Sinn dahinter zu verstehen, das bedarf eines gesunden Menschenverstandes. In den Zeiten von KI wohl ein immer seltener genutztes Gut.